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Freitag, 22. April 2011

Das Ghetto

Wir hatten ein Problem. Ein Problem mit der Firmen-Ethik.


Das Innenministerium in Saudi Arabien hatte uns kontaktiert und nach einer Offerte für die Modernisierung ihres Computer-Systems gefragt. Dieses enthält die Daten aller Mitbürger und Expats, Visa records aller Ein- und Ausreisenden, criminal records, Waffenbesitzer, eine Schiiten-Datenbank (denn sie könnten ja mal irgendwann zuschlagen), und die berühmte "black list". 

Über letztere haben die Saudis mit mir oft rumgealbert und mich des öfteren gefragt, ob ich geheime Rachegedanken gegen irgendjemand hege. Andererseits haben sie mir im Spass damit gedroht, mich auf dieselbe zu setzen, falls ich nicht ab und zu eine Quelle für den allseits beliebten, weil verbotenen, Alkohol aufmache. 

Das Innenministerium war drei Jahre lang mein Kunde und ich nahm freudestrahlend die Anfrage für eine Offerte entgegen. HW/SW und die Migration der Daten in eine moderne Datenbank waren so ungefähr USD 10Mio wert. 

Aber meine Corporation sperrte sich. "Wir machen keine IT Deals mit Institutionen, die im Verdacht stehen, gegen die Menschenrechte zu verstossen", waren deren hehre Worte. Betreuen durften wir sie schon. Hier und dort eine kleinere "Main Frame" Installation. Aber nur zu "Trainings- und Testzwecken." Die reinste Heuchelei. 

Aber die Karotte hing an der Angel, mittlerweile genau vor der Nase unseres ach so moralisch gesinnten Hauptquartiers in Armonk, USA. USD 10Mio bei einer Profit-Marge von bis zu 70% sind ein unwiderstehliches Argument. 

70% ? Ja, Das waren einmal die Margen bei den "Main Frames." Da kommen jedem PC Händler die Tränen in die Augen heutzutage. 

So kam es, dass hoher Besuch aus unserem HQ eintraf. Seine Aufgabe war, den Zweck dieses Deals so unschuldig zu formulieren, dass er bedenkenlos irgendwelche ethischen Prinzipien passieren konnte. 

Ein schlanker, grauhaariger Gentlemen aus Texas, der mit den CEOs von Boing, Ford und Amex schon oft genug an irgendwelchen Hotel Bars einen durchgezogen hatte, stellte sich recht symphatisch bei uns vor. Ich durfte ihn in die Geheimnisse unseres Kunden einweihen. 

Sein Aufenthalt in Saudi Arabien war zunächst für sechs Wochen geplant. Eine Ewigkeit in der Hölle, wie er mir schon am zweiten Tag gestand. Ihm ging dieses ganze Gehabe in der Öffentlichkeit gehörig auf den Geist. Geschäfte schliessen während der "Prayers Time." Unartige Kunden werden von den Motauwas (Religionswächter) per Stockhiebe auf die Unterschenkel hinausbegleitet, falls sie nicht freiwillig Folge leisten. Die meisten Saudi-Damen liefen schwarz verschleiert umher. Damals allerdings die wenigsten noch mit absoluter Gesichtsverschleierung. Es gab keine Kneipen, kein Glas Wein zum Dinner, und an den Hotel Bars nur Saudi-Champagne. Sprudelwasser mit Apfelsaft gemischt und ein paar Minzeblättern darin. 

Aber unser Spezie, nennen wir ihn Jack, wäre nicht in diese Position gelangt, ohne ein Schlitzohr zu sein. 

Schon am zweiten Abend fragte er mich, wie ich denn wohne. Wie gross mein Apartment wäre und überhaupt...wie sturmfrei. 

"Ich wohne hinter Mauern." War meine Antwort. "Die Villa ist zweistöckig mit etwa 200 Quadratmetern Wohnfläche. Vier Schlafzimmer, Pool vor der Türe."     

"Hast du auch eine Hausbar?" fragte er weiter. Ich wusste schon, worauf er hinaus wollte. 

"Weisst du was? Warum kommste am Wochenende nicht zu mir und probierst mal unser selbstgebrautes. Wir setzen uns auf meine Veranda und schauen dem Treiben am Pool zu",  machte ich ihm den Vorschlag. 

"Hört sich gut an. Hättest du was gegen zwei weitere Gäste?" fragte er grinsend. 

Ich hatte durchaus nichts dagegen. Solch ein hohes Tier in unserer Corporation hat sicher schon Verbindungen zum CIA hier in Saudi geknüpft, und ich stellte mir das recht interessant vor, mit solchen Hechten ein vergnügliches Gespräch bei mir zu Hause beim Umtrunk zu führen. Kontakte sind wichtig in der Fremde. Und wer weiss, wozu man sie in der Zukunft noch mal braucht. 

Ich willigte also sofort ein, zeigte ihm in der Mittagspause "meine" Villa, damit er weiss, wo's lang geht (er bewertete sie als geeignet) und liess in froher Erwartung das Wochenende auf mich zukommen. 

Ich gab ihm auch eine Ersatz-Remote-Control, mit der sich das Tor in den Compound (Expat-Ghetto) aus dem Wagen durch die Windschutzscheibe öffnen liess. 

Am Donnerstag Mittag trudelte er in seinem geliehenen Chevy ein. Donnerstag? Ja, das Wochenende liegt in Arabien anders, als bei uns. Dort ist der Donnerstag unser Samstag und der Freitag unser Sonntag. Deswegen übrigens das in den Nachrichten oft erwähnte Freitags-Gebet, welches das wichtigste der Woche ist und zu dem alle in ihre Moschee strömen. Es ist mit unserem Sonntagsgottesdienst vergleichbar. 

Als sich die Türen seines Chevy's öffneten, traute ich meinen Augen nicht. 

Zwei Damen um die Dreizig stiegen aus und ein grinsender Jack führte sie untergehakt auf meine Veranda, auf der ich wohl wie angewurzelt und mit offenem Mund sass. 

Die Damen begrüssten mich im besten texanischen Akzent und hielten ihre Wangen sogleich zum (wienerischen) Begrüssungsbussi hin. Die eine hiess Peggy, die andere Sue.  

Mir wackelten die Knie. 

Wie sich herausstellte, waren sie Krankenschwestern im King Khalid Hospital. Dort wird vier Tage durchgearbeitet und dann haben sie drei Tage frei. 

Jack hat das schon nach wenigen Tagen in Saudi sofort geschnallt. Wie? Ganz einfach. Er hat lediglich ein paar alte Marines in Riad in der amerikanischen Botschaft kontaktiert und die haben ihn sogleich eingewiesen. Marines-Bande halten ewig! 

Und da war noch etwas, was ich noch nicht wusste. Im King Khalid Hospital liess sich die Abwesenheit über Nacht mit ein paar Tricks, unterstützt durch wohlgesinnte Kolleginnen, verschleiern. Abwesenheit über Nacht ist alleinstehenden Damen, auch Expats, in Saudi Arabien strengstens verboten. 

So kam es, dass wir vier auch die Nacht in "meiner" Villa verbrachten. Was dort abging, überlasse ich der Phantasie der Leser. Irgendwie hatten wir vier das Gefühl, dass wir innerhalb solch eines verklemmten Staates ausgiebige Ausschweifungen nicht nur verdient hätten, sondern sie unsere Pflicht wären.   

Am nächsten Morgen sassen Jack und ich auf der Veranda und beobachteten das Treiben am Pool, während unsere temporären Lebensabschnittspartnerinnen noch schliefen. Meine Stereoanlage, bis zum Anschlag aufgedreht, spielte "Peggy Sue" von Buddy Holly. Irgendwie mussten ja die Mädels zwecks Frühstückszubereitung wach zu kriegen sein. Manch äusserst hübsche und sexy Ehefrau meiner libanesischen Nachbarn vergnügte sich im Pool. Nicht ganz ohne ihre weiblichen Reize im Bikini für unsere Augen zur Schau zu stellen. Ja, Libanesinnen geniessen die Blicke fremder Männer. 


Peggy und Sue erschienen, noch mit Schlafzimmerblick und nackten Beinen unter dem Schlaf-T-Shirt, auf der Veranda und fragten fast im Chor: "Wie möchtet ihr eure Eier?" 


Jack und ich beschlossen unabgestimmt nicht zu grinsen, was uns nicht unbedingt leicht fiel und Jack sagte mehr zu sich selbst: "Oh Mann, was bin ich froh, hinter Mauern zu sein. Das erste mal in meinem Leben. Ich liebe das Ghetto." Ich stimmte ihm unausgesprochen zu. 







P.S. wenn wir erwischt worden wären, nämlich mit nicht mit uns verheirateten Frauenzimmern, dazu Alkohol und scrambled eggs, wären wir sofort des Landes verwiesen worden, vielleicht nicht ohne ein paar Peitschenhiebe vorher. 

Hat sich das Risiko gelohnt? Defininitiv!!!