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Dienstag, 21. Juni 2011

Wahlen in Thailand - Die Gehässigen



Lasst keine Tiere ins Parlament


Die PAD, People’s Alliance for Democracy, war einmal eine riesige Volksbewegung, die sich in der Zeit von 2005 bis September 2006 gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra und von 2007 bis Ende 2008 gegen seine Nachfolger Samak Sundaravej und Somchai Wongsawat richtete. Anfänglich brachte sie während der „Montagsdemonstrationen“ Zehntausende von Anhängern auf die Strasse und legte jede Woche die verkehrsreiche Ratchaprasong-Kreuzung und ihre Zufahrtsstrassen lahm. Ihr äusseres Erkennungszeichen war und ist ein gelbes Polohemd oder T-Shirt. Gelb, die Farbe des Königs.

Der Protest der PAD gipfelte 2008 in der Besetzung, Plünderung und Verwüstung des Regierungsgebäudes und der Verwandlung des Geländes in einen Jahrmarkt,  Blockierung der Eingänge zu den Flughäfen in Krabi, Hat Yai und Phuket und schliesslich in der Besetzung des internationalen Flughafens Suvarnabhumi in Bangkok. Don Muang, der alte Flughafen und nur noch für Inlandflüge benutzt, wurde ebenfalls belagert.

Die Thais und die Welt fragten sich, wer Polizei und Militär daran hinderte, diesem lange anhaltenden Spuk ein Ende zu setzen. Spätestens bei der „geduldeten“ Besetzung des Flughafens Suvarnabhumi wurde auch dem Dümmsten klar, dass die Macht in Thailand nicht von einer demokratisch gewählten Regierung ausgeht. Das Schlagwort von der „Dritten Hand“ machte die Runde.

Die PAD beendete die Demonstrationen und Besetzungen von öffentlichen Institutionen erst, nachdem die Regierungspartei per Gerichtsbeschluss verboten und das Parlament aufgelöst wurde. Der bis dahin angerichtete wirtschaftliche Schaden war immens.

Die Gründerväter, Sondhi Limthongkul, ein Medienmogul, und General Chamlong Srimuang, ein Asket und Mitglied der sehr konservativen buddhistischen Sekte Santi Asoke, waren beide einmal Partner und Berater von Thaksin Shinawatra, bevor sie beschlossen, sich gegen ihn zu stellen.

Die PAD, als Wegbereiter für die jetzige vom Volk nicht gewählte Regierung, wiederholt ihre eigene  Geschichte. Sie stellt sich bei diesen Wahlen wieder einmal gegen einen ehemaligen Verbündeten, dieses Mal gegen die Regierungspartei der „Democrats“, überhaupt gegen alle politischen Parteien. Aber sie hat den grössten Teil ihrer Anhängerschaft verloren und stellt keine öffentliche Gefährdung mehr dar.

Die für den Zweck dieser Wahlen am 3. Juli gegründete Partei Puea Fa Din, Himmel und Erde, ruft zu einer Aufhebung, zumindest vorrübergehenden Aussetzung, des jetzigen parlamentarischen Systems zugunsten eines von oben eingesetzten Regierungskaders auf und fordert alle Urnengänger auf, keinen der Kandidaten zu wählen.

Das Wahlmotto der „Himmel und Erde“ Partei ist: „No Vote“.

Sie bedient sich dabei einer Methode, die in Thailand Empörung hervorruft, weil sie nicht dem Höflichkeitsideal in der Öffentlichkeit entspricht, nämlich die Gleichsetzung von Menschen mit Tieren.



Plakat der 1. Kampagne



Der Text auf den Plakaten lautet: „Lasst keine Tiere ins Parlament hinein.“

Diese abgebildeten Tiere haben in Thailand eine symbolische Bedeutung, die nicht unbedingt der des Westens entspricht. Ausserdem werden ihre Namen als Schimpfworte benutzt, deren Erwähnung zu ungesunden Reaktionen führen kann.

Der Wasserbüffel - Kwai...
...steht für Dummheit. Westliche Ausländer, die sich wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen, werden von den Einheimischen gerne so bezeichnet. Besonders den Bargirls kommt dieser Ausdruck oft über die Lippen, wenn sie untereinander über ihre Kunden reden.

Der Waran – Hia...
...steht für teuflisch. „Hia“ ist eines der schlimmsten Schimpfworte, welches es in Thailand gibt. Nicht gerade seltene Reaktionen darauf sind spontaner Totschlag oder tödliche Vendetta.

Der Hund – Sunak...
...steht einerseits als Strassenköter mit gefletschten Zähnen für Aggression und andererseits als jemand, der ständig dummes Zeug redet und keine Taten folgen lässt. Einer solchen Person wird ein Hundemaul unterstellt.

Der Affe – Ling...
...steht für schnell, wendig, schlau und bösartig. Die Banane in seiner Hand deutet vermutlich darauf hin, dass er als Nimmersatt hinterhältig stiehlt, was er will.

Der Tiger...Suea
...gilt als unberechenbar und grausam. Ein Thaisprichwort lautet: „Schönes Gesicht aber das Herz eines Tigers“, was „Vorsicht“ vor diesem Tier bedeutet. Er gilt als so stark, dass er selbst bei landläufig unterstellter Faulheit alles bekommt, was er will.

Die Himmel und Erde Partei hütet sich davor, einen Hinweis zu geben, wer mit welchem Tier gemeint ist. Es ist dem Betrachter überlassen, seine Schlüsse zu ziehen, je nachdem, auf welcher Seite er steht.    

Nachdem es Beschwerden zur ersten Kampagne gehagelt hatte, entschärfte die „Himmel und Erde“ Partei ihre Plakate ein wenig, fügte aber deutliche Hinweise hinzu, wer gemeint ist. Alle Plakate enthalten den Hinweis: „No Vote“. 



Plakate der 2. Kampagne
  


Von links nach rechts:

Der Tiger und das Krokodil...
...stehen für ein Thai-Sprichwort: „Dem Tiger entronnen und dem Krokodil ins Maul.“ Die blaue Kleidung steht für die Democrat Party und die rote für die „Puea Thai Party. Die beiden Hauptkontrahenten in dieser Wahl.

Die zwei Wasserbüffel...
...besagen: „Keine leichte Wahl, weil beide schlau sind?“ Das ist natürlich ironisch gemeint.

Die beiden Personen...
...sind der im Exil lebende ehemalige Premier Thaksin Shinawatra und der jetzige Premier Abhisit Vejjajiva. Sie haben Beulen auf dem Kopf. Der Text bedeutet: „Der 3. Juli, der Tag um den Politikern eins aufs Dach zu geben.“

Das letzte Plakat...
...besagt: “Schließe dich unserem Protest gegen die Politiker an. Nicht notwendig zu kandidieren.“

Aller Voraussicht nach werden die „Gelbhemden“ bei diesen Wahlen so gut wie keine Rolle spielen.  

Freitag, 17. Juni 2011

Wahlen in Thailand - Sex ist kein Problem...sagt Chuwit




Das enfant terrible


Chuwit Kamolvisit repräsentiert den „sanuk“, Spaß, überhaupt alles, was kein intellektuelles Kopfzerbrechen in dieser bevorstehenden Wahl verursacht. Einst der Besitzer einer Massagesalon-Kette in Bangkok, in denen sexuelle Service-Leistungen zum selbstverständlichen Angebot gehörten, hat er nach dem Verkauf seiner „Waschstrassen“ im Jahre 2004 seine Lust am Schaumbad durch Lust an der Politik ersetzt.

Chuwits ehemalige Edel-Massagesalons wurden gerne von hochgestellten Persönlichkeiten aus Politik, Polizei- und Militärkreisen diskret besucht. 
  • Victoria's Secret
  • Honolulu
  • Hi-Class
  • Emmanuelle
  • Copacabana
  • Sea of Love 

Chuwit ist damit reich geworden, sehr reich sogar. Der Volksmund nannte ihn „Sia Ang“, Badewannen-Pate. Seine Teilhaber, zum Teil hochrangige Offiziere des Militärs und der Polizei, sowie seine HiSo (High Society) Beschützer aus den gleichen Kreisen, erfreuten sich ebenfalls größerer Summen, teurer Geschenke wie goldene Rolex Uhren und natürlich freien Service in seinen Salons.

Ein Ende von Chuwits Wasch-Karriere als Bordellkönig Bangkoks zeichnete sich 2003 ab, als eine Bulldozer-Kolonne am frühen Morgen noch in der Dunkelheit alle Bars und Geschäfte auf dem Sukhumvit Square, Soi 10, Sukhumvit Road, platt machte. Das Land gehörte Chuwit, bzw. seinem Firmenkonglomerat, der Davis Group. Die Besitzer der Bars und Geschäfte wurden nicht vorgewarnt und ihnen wurde nach dem Vorfall der Zugang zum Grundstück verweigert. Noch nicht einmal die Reste durften sie einsammeln. 

Die Empörung in Bangkok war groß, nicht nur unter den Geschädigten. Chuwit wurde verhaftet und verbrachte einen Monat im Gefängnis. Vermutlich hat er hinter Gittern gerast, denn die gleiche Institution, die seine „Zuwendungen“ immer gerne angenommen, beide Augen zugedrückt hatte, richtete sich plötzlich gegen ihn. Chuwit kam auf Kaution frei und ging sofort in die Offensive. Jahre später gewann Chuwit diesen Prozess mit der Begründung, es wäre ja dunkel gewesen und man könne ihm nicht nachweisen, die Bars und Geschäfte abgerissen zu haben. Stattdessen ging ein Rechtsanwalt der Abrissfirma in den Knast.

Chuwit schäumte. Er hätte die Räumung weder veranlasst noch etwas davon gewusst. Und viel wichtiger, es könne nicht sein, das ein Mitglied der „Familie“ dermaßen an den öffentlichen Pranger gestellt wird. Wenn man ihn nicht in Ruhe ließe, würde er die Namen aller Personen nennen, die in der Vergangenheit säckeweise Geld von ihm angenommen hätten. Besonders die Polizeibeamten.

Dazu muss man wissen, dass dies zum Sex-Geschäft in Thailand gehört, wie die Flossen der Fische zum Wasser. Förderung der Prostitution ist in Thailand strafbar. Deswegen die oft gehörte Ausrede der Massagesalonbesitzer, dass sie keine Ahnung hätten, was die Mädels über die Massage hinaus mit ihren Kunden in den Badezimmern in den oberen Stockwerken anstellen. Das wäre alleine ihre Sache. Da jeder weiß, was da abläuft und um sich vor gelegentlichen Polizei-Razzien oder gar Schließung zu schützen, wird der Polizeichef des Viertels inklusive einiger seiner höheren Beamten geschmiert. Und Ruhe ist. Das gilt einfach der Gehaltsaufbesserung der ansonsten verarmten Beamtenschaft.

Chuwit nannte eine sehr hohe Summe, die er über die Jahre abgedrückt hätte, 200 Millionen Baht, dazu die Anfangsbuchstaben einiger Namen.

Für die Medien war das ein gefundenes Fressen und ein riesiges Geschäft. Über Wochen bestimmte Chuwit die Schlagzeilen. Die Druckereien der Tageszeitungen standen nie still. Jeder in Bangkok wollte am Morgen wissen, ob Chuwit noch unter den Lebenden weilte, oder wie er umgekommen war. „A bullet is cheap in Thailand“, eine Patrone ist billig in Thailand, ein Auftragsmörder leicht gefunden.

Die Fernsehstationen konkurrierten untereinander um Interview-Termine mit Chuwit. Live Interviews mit ihm hatten Kultstatus. Ganz Bangkok saß begeistert vor dem Fernseher während der täglichen Nachrichten. Das war besser als die üblichen Soap Operas. Chuwit kündigte an, auf dem Grundstück einen öffentlichen Park errichten zu wollen. Das wäre doch viel schöner als Bars und billige Geschäfte und käme allen zugute. Das hat er tatsächlich. Der Park heißt „Chuwit Garden“.       

Chuwits Korruptionsvorwürfe gegen die Polizei veranlassten sogar den damaligen Polizeipräsidenten Sant Sarutanond zu einer Stellungnahme:

„Ich bin mir sicher, dass mehr als die Hälfte meiner Polizeibeamten ehrlich ist.“

Genial. Die in der thailändischen Gesellschaft tief verwurzelte Korruption mit einem einfachen Satz unbeabsichtigt auf den Punkt gebracht. „Mehr als die Hälfte ehrlich“ gilt in Thailand schon als lobenswerte Tatsache.

Chuwit verschwand gleich nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis für zwei Tage von der Bildfläche. Im Fernsehen erklärte er danach, er sei entführt worden. Er sei bereit zu sterben, hätte aber dafür gesorgt, dass die Liste der Empfänger seiner Bestechungsgelder und seiner HiSo Kunden nach seinem unfreiwilligen Tod sogleich veröffentlicht würde.

Die Wogen glätteten sich. Es kam zur Enttäuschung des Publikums nicht zu einer Veröffentlichung der Liste, einige Polizeibeamte wurden in weniger lukrative Stadtbezirke versetzt, d.h. in Stadtteile ohne Massagesalons oder sonstige Establishments.

Die Polizei führte Razzien in Chuwits Salons durch und beschuldigte ihn, Minderjährige in drei Fällen beschäftigt zu haben. Auch hier folgte später ein Freispruch. Chuwit hätte in gutem Glauben gehandelt. Die Personalausweise der Mädels wären gefälscht gewesen. Bald darauf verlor Chuwit die Lust am Massage-Geschäft und verkaufte seine „Badeanstalten“ für sehr gutes Geld.

Damit dies auch jeder mitbekam, zertrümmerte er vor dem Parlamentsgebäude öffentlich eine Jakuzzi-Badewanne mit einem Hammer. Spätestens dann gehörte er zu den berühmtesten Personen Bangkoks. „The Nation“, eine führende englischsprachige Tageszeitung in Thailand, kürte ihn zum Mann des Jahres 2003.  

Chuwit hatte Blut geleckt. Im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen, wollte er nicht mehr missen. Vielleicht hat ihm dies das Leben gerettet. Er war berühmt und wegen seiner kompromisslosen Art gegenüber der korrupten Polizei nicht gerade unbeliebt bei den Menschen in Bangkok. Die feixten sich einen weg, wenn Chuwit einmal wieder zum Rundumschlag ausholte.

Im Jahre 2004 kandidierte Chuwit zum ersten Mal für ein politisches Amt, dem Amt des Bangkok Gouverneurs. Er gewann 16% der Stimmen. Das ist recht ansehnlich für einen Außenseiter mit einer derartigen Vergangenheit. 2008 kandidierte er ein zweites Mal.

Auf seinen  Wahlplakaten erschien er mit wütender Miene und einem furchteinflössend erhobenen Hammer.

 Dies ist Chuwits Kult-Plakat und Klassiker zugleich. 
Zertrümmere die Betrüger,
stelle die Teuflischen bloß,
hab keine Angst vor den Einflussreichen. 


Chuwit geht bei der jetzigen Wahl am 3. Juli, 2011 für seine eigene Partei „Rak Prathet Thai“, „Ich liebe Thailand“ ins Rennen und hat nur zehn Kandidaten auf der Liste.

Er macht sich keine Hoffnungen auf eine größere Anzahl Sitze und erklärt sich von vorne herein zum Oppositionspolitiker, der ein Auge auf die schmutzigen Geschäfte der Regierung werfen wird. In den Augen Chuwits sind alle Politiker korrupt und mafiös.

Er müsse es ja wissen, da er selber einmal als Geschäftsmann Politiker und besonders hohe Polizeibeamte regelmäßig geschmiert habe. Er sei aber nun geläutert und werde für eine saubere Politik kämpfen, falls er auch nur einen einzigen Sitz im Parlament erhasche.

Auf die Problematik seiner früheren Tätigkeit im Sexgeschäft angesprochen, lautet seine süffisante Antwort:

„Sex ist kein Problem, keinen Sex zu haben ist das Problem.“
  
Seine Wahlplakate bilden ihn als grimmigen oder sich die Haare raufenden Mann ab. Jemand, der an der thailändischen Politik verzweifelt und ordentlich aufräumen will.


Manchmal kann der erste Eindruck täuschen. Die folgenden zwei Plakate stellen nicht etwa eine Bevorzugung von Kampfhunden im Vergleich zu Babys dar, sondern verbergen andere Botschaften, die aus dem Text hervorgehen. (s. Bildunterschrift)

Chuwit will der Korruption wie ein Kampfhund an den Kragen gehen




Politiker sind wie Baby-Windeln. Je öfter gewechselt um so besser sind sie.

Auch sein persönlich öffentlicher Wahlkampf ist originell. Chuwit hat eine gehörige Portion Humor. Manchmal kann man sich allerdings nicht sicher sein, ob er gewollt oder unfreiwillig witzig ist.



Viele Thais in Bangkok sind ihm wohlgesonnen und betrachten ihn als „funny man“, lustigen Mann, mit hohem Spaßfaktor, der einerseits Recht hat, aber wohl nicht ganz ernst genommen werden kann. Wer weiß, für die mit beiden großen Parteien unzufriedenen Wähler in Bangkok könnte er zum Protestkandidaten mutieren. 

Sollte er einen Sitz ergattern, stehen lustige und aufregende Sitzungen im Parlament bevor. Mögen meine Gebete erhört werden.


Eines steht jedoch fest. Die aufstrebende "Planking"-Gemeinde in Thailand hat ihn jetzt schon ins Herz geschlossen.




Auch die „Gelbhemden“ mischen im Wahlkampf mit. Allerdings anders, als man denkt. Davon im nächsten Bericht...