Die Ausschreibung für das Erawan Hotel
Warum wurde das Erawan Hotel überhaupt gebaut? Und dann auch noch an diesem Ort in den damals Außenbezirken von Bangkok in ländlicher Gegend. Es gab dort zur Zeit der Ausschreibung im Jahre 1953 kein einziges Shopping Center und so gut wie gar keine Zerstreuungmöglichkeiten, sieht man einmal vom in der Nähe liegenden Royal Sports Club an der Ratchadamri Road ab. Ratchadamri bedeutet wörtlich übersetzt: „die Strasse des königlichen Verdikts“.
Das MBK, Paragon, das CentralWorld oder andere Kaufhäuser lagen noch in weiter Zukunft.
Der Siam Square, zur renommierten Chulalongkorn Universität gehörend, hatte noch Marktcharakter und war auf die Bedürfnisse der Studenten abgestimmt.
Der weiße Chedi im Wat Pathum Wanaram, Lotuswald-Tempel, war noch weithin sichtbar.
Der baumreiche Park des ländlichen Wohnsitzes der Königsfamilie, der Sra Pathum Palace, Lotusteich-Palast, war noch nicht eingeengt und lag noch nicht im Schatten von Hochhäusern.
Eine Einrichtung jedoch mag den Ausschlag für den Standort des Erawan Hotels gegeben haben. Das Royal Thai Police Headquarter mit Kasernen, Kadettenschule und Krankenhaus gleich gegenüber an der Ratchadamri Road mag Sicherheit versprochen haben.
Aber seit wann braucht ein Hotel die unmittelbare Nähe geballter Polizei-Präsenz?
Zur Beantwortung dieser Frage muss man den Zweck des Erawan Hotels kennen. Tourismus kann es nicht gewesen sein. Den gab es in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch nicht, geschweige denn die TAT, Tourist Authority of Thailand. Eine solche Investition in eine moderne Bettenburg für Gäste hätte sich nicht gelohnt und nicht gerechnet.
Das Stadt- und Geschäftsleben spielte sich noch an der Thanon Charoen Krung, der ältesten Strasse Bangkoks, und ihren Seitenarmen, der Silom und Suriwongse Road, ab, sowie im Chinesenviertel an der Yaowarat Road und in deren engen Seitengassen.
Bangkok hatte noch keine Skyline im modernen Sinne. Nur die farbenfrohen Giebel der buddhistischen Tempeldächer und die Chedis gaben dem Horizont Konturen.
Man schätzt die Anzahl der Hotelzimmer in Bangkok jener Zeit auf 800. Völlig ausreichend. Zu den renommiertesten Hotels gehörten das Rattanakosin Hotel, heute Royal Hotel, an der Ecke Ratchadamnoen Road...
...und das Trocadero Hotel an der Suriwongse Road.
Das damals schon legendäre Oriental Hotel erholte sich langsam von den Kriegswirren. Von den Japanern im zweiten Weltkrieg als Hauptquartier genutzt, war es von den Briten bombardiert worden. Der alte Glanz war noch nicht wieder hergestellt.
Man war sich einig, dass diese Hotels den Ansprüchen für einen gewissen geplanten Anlass nicht genügen würden. So kam es zu einer Ausschreibung, die erste von vielen Hürden, an denen das Projekt „Erawan Hotel“ zu scheitern drohte.
Gefragt wurde nach Bauherren, die in der Lage waren, ein Hotel mit modernen Konferenzräumen, zeitgemäßer Kommunikationstechnologie und Kur-Einrichtungen, die wir heute als „Wellness Center“ oder Spa bezeichnen zu errichten.
Solche Baufirmen in Thailand zu finden, war fast aussichtslos, einfach weil die einheimische Erfahrung fehlte. Eines hatten sich die Thais allerdings vorgenommen, sie wollten der Welt zeigen, dass sie sehr wohl in der Lage waren, eine solche Stätte, die internationalen Ansprüchen genügt, zu bauen und auch zu betreiben.
Woher kam der plötzliche Drang, sich zu beweisen?
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich die globale politische Situation jener Zeit in Erinnerung rufen...
Fortsetzung folgt...