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Mittwoch, 18. Januar 2012

Teil 11 - Der Erawan Schrein einmal anders - Auferstehung


Der Erawan Schrein bei Nacht

Was bisher geschah......












Die Auferstehung

Ein Schild in Englisch, Chinesisch und Thai am geschlossenen Erawan Schrein verkündete:

"The Erawan Shrine is temporarily closed. We apologise for any inconvenience." 

Der Text suggerierte, dass es eine temporäre Angelegenheit sein würde. Wird Phra Phrom wieder auferstehen?

Surapon Jiamsuwan, Vice Präsident der Erawan Group Plc, kündigte an, dass seine Firma zusammen mit dem Ministerium für Kultur eine baldige Renovierung des Schreins inklusive Statue anstrebe. „Wir bitten um etwas Geduld.“

Brahmanen hielten ein Spezial-Ritual für den zerbrochenen Phra Phrom ab und segneten seine Überreste. Viele Angehörige des Kultusministeriums nahmen ebenfalls teil.

Bald darauf wurden die vier Seiten des Schreins mit Fotografien der Statue verkleidet und der Schrein wieder geöffnet.


Die Besucherzahlen hielten sich in Grenzen.

Aus den Reihen Buddhistischer Gelehrter kamen die ersten Kritiken. Was solle dieser Firlefanz eigentlich? Das sei doch lediglich eine Figur. Sie gehöre zwar zur thailändischen Kultur und Tradition und sei Bestandteil des sozialen Lebens, aber  was sich hier abspiele, sei nur etwas für schlichte, verführte und gefährdete Gemüter. Vergleichbar mit der Märchenstunde für kleine Kinder, die noch nicht richtig laufen können. Dieser Hokuspokus um die Statue ließe sich nicht mit der buddhistischen Lehre vereinbaren.

Der Auftrag für eine neue Phra Phrom Statue ging wie erwartet an das Fine Arts Department. Stabiler sollte sie sein, aber äußerlich eine genaue Kopie der Alten. Bruchstücke des Originals sollten mitverwendet werden um den ursprünglichen Spirit aufrecht zu erhalten.

Nach genau zwei Monaten war sie fertig. Neun verschiedene Metalle bildeten ihren Körper. Darunter Gold, Silber und Bronze. Diese spezielle Legierung wird „lawaloha“ genannt. Eine weitere Kopie fand ihren Platz im Nationalmuseum. Man kann ja nie wissen.

Die Thao Maha Phrom Statue, wie sie offiziell genannt wird, verließ am 21. Mai genau um 7:29 Uhr morgens in einer feierlichen Prozession das Fine Arts Department. Löwentänzer und Trommler begleiteten sie zunächst zum City Pillar Schrein. Von dort ging es zum Tempel des Emerald Buddhas und danach zur Brahman Church of Bangkok, wo sie mit heiligem Wasser gesegnet wurde.

Die Statue wurde auf einem Kleinlaster transportiert.

Viele Zuschauer notierten sich die Autonummer des Transportfahrzeuges für die nächste Lotterie. Im Schritttempo ging’s dann weiter bis zur Ratchaprasong Kreuzung. Brahmanen in weiß und mit den typischen Spitzkegelhüten sowie besagte Löwentänzer und Trommler begleiteten die Prozession. Die Strassen waren für den Verkehr gesperrt. Viele Zuschauer säumten den Weg und begaben sich mit der Statue Richtung Bestimmungsort. 



Um 11 Uhr morgens erreichte die Prozession den Erawan Schrein. Die Statue wurde abgeladen und zu Fuß die letzten paar Meter zum Schrein getragen. Premier Thaksin, der stellvertretende Minister für Kultur Surakiart Sathirathai und der Oberbürgermeister Apirak Kosayodhin warteten schon.

Thaksin ließ es sich nicht nehmen, Phra Phrom noch vor dem „check in“ in den Schrein seine Wünsche zu offenbaren. Um genau 11:29 Uhr wurde die Figur auf ihren angestammten Platz gesetzt. Die Zeit, zu der die Sonne genau senkrecht über dem Schrein stand.


Thaksins Stern war bereits dem Untergang geweiht. Die für ihn siegreiche Parlamentswahl vom 2. April 2006 wurde schließlich im Juni annulliert, da die größte Oppositionspartei, die Democrat Party und zwei andere, sich gar nicht erst an der Wahl beteiligt hatten und das Gericht Unregelmäßigkeiten in den Wahllokalen feststellte. Die Art und Weise der Aufstellung der Wahlurnen hätte die Privatsphäre der Wähler nicht garantiert.

Am 19. September 2006 ging für Thaksin endgültig das Licht aus. Das Militär putschte auf überraschend friedliche Art und Weise gegen ihn und setzte einen Militärrat als Übergangsregierung ein.

Selbst die Tageszeitung „The Nation“ konnte sich nicht verkneifen, legendenhaft über den 21. Mai, 2006 zu berichten. Genau um 11:29 Uhr, der Uhrzeit der Wiederaufstellung Phra Phroms sei ein Wolkenbruch schlagartig niedergegangen. Dabei war der Tag sowieso verregnet.

Das Fernsehen war ununterbrochen live dabei.



Phra Phrom war wieder auferstanden. Ein Freudentag. Und sah er nicht sogar besser aus als vorher? Der Erawan Schrein war bevölkert, wie sonst nie zuvor. Viele Zuschauer versammelten sich auf dem Skywalk gleich unter dem Skytrain.



Was für eine Karriere.

Vom Alibischrein für das Versagen der Bauherren des alten Erawan Hotels zum Hausschrein des ersten Hotels in Bangkok mit internationalem Standard. 

Vom Hausschrein des ersten Hotels in Bangkok mit internationalem Standard zum wunscherfüllenden Symbol für abergläubische Leute.

Vom wunscherfüllenden Symbol für abergläubische Leute zur Touristenattraktion.

Von der Touristenattraktion zur Muss-Foto-Lokation für die Prominenz aus Showgeschäft und Politik.

Von der Muss-Foto-Lokation für die Prominenz aus Showgeschäft und Politik zur politischen Instanz.

Von der politischen Instanz zum bösen Omen. Thailand ist seitdem nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die Gesellschaft ist tief gespalten. In den vergangenen Jahren gab es viele Tote bei politischen Unruhen. Gebäude in Bangkok standen in Flammen.

Wer wagt es da noch zu bezweifeln, dass Phra Phrom Macht hat - Macht über das Schicksal einer ganzen Nation.

Nur einer blieb und bleibt von alldem unberührt. König Bhumibol, Rama IX, der Stellvertreter von Lord Vishnu, dem Beschützer und Erhalter, auf Erden und unter dem besonderen Schutz von Lord Indra, dem wirklichen Bezwinger und Herrn von Erawan, dem legendären Elefanten. Phra Phrom. Wer ist das schon? Nichts weiter als ein Spielzeug und Hirngespinst seiner kindlichen Untertanen.

Stadtwappen Bangkoks
Ende      

Dienstag, 10. Januar 2012

Teil 9 - Der Erawan Schrein einmal anders - Unser Vater wurde zerstört



Der leere Erawan Schrein kurz nach der Tat

Was bisher geschah......










Unser Vater wurde zerstört !

Kurz nach Mitternacht, am frühen Dienstag Morgen des 21. März 2006 näherte sich zunächst unbemerkt ein junger Mann, mit einem schweren Vorschlaghammer bewaffnet, dem Erawan Schrein, stieg auf das Podest von Phra Phrom und zertrümmerte die Hartgipsfigur mit nur wenigen Schlägen.




Nur ein Bein ruhte noch auf dem Sockel. Lord Shiva der Zerstörer hatte getanzt und seinen Kollegen Lord Brahma (Thailändisch: Phra Phrom) und Schöpfer des Universums vorzeitig vernichtet. Einen Atemzug lang verharrte die Ratchaprasong Kreuzung in zeitloser Starre. Eine Girlandenverkäuferin kam als erste wieder zu sich.

„Unser Vater wurde zerstört.“ rief sie laut in die Nacht hinein. 



Straßenkehrer und Taxifahrer nahmen die Verfolgung auf und erschlugen, beflügelt vom heiligen Geist, den Täter mit einer Eisenstange unweit vom Tatort.

Wer war dieser junge Mann? Ein Enttäuschter, Frustrierter, Verrückter oder gar ein Terrorist? Es dauerte Tage, ehe sich ein einigermaßen klares Bild ergab. Die Aussagen seines Vaters Sayant  warfen schließlich etwas Licht auf die für Thais völlig undenkbare Tat.

Demnach war Thanakorn Phakdeephol, so sein Name, seit seiner Militärzeit vor sechs Jahren in sporadisch psychiatrischer Behandlung. Er neigte zu unkontrollierter Aggressivität. Fest steht, dass er nicht an geistiger Behinderung litt. Er lebte in einfachen, wenn nicht sogar ärmlichen Verhältnissen. Am Abend vor seiner Tat kam er um 8 Uhr abends nach Hause und verzog sich mit grimmigem Gesicht sofort ins Bett. Sein Vater kannte die Anzeichen, legte Beruhigungs- und Anti-Depressiva-Pillen bereit und füllte ein Glas Wasser. Aber es war schon zu spät. Thanakorn ließ sich nicht mehr beruhigen. Er lehnte die Fürsorge seines Vaters ab, ein Wort gab das andere und schließlich drohte er damit, alles im Hause kurz und klein zuschlagen, sowie Familienangehörige zu verprügeln. Um Mitternacht herum verließ er wutentbrannt das Haus unweit des Erawan Schreins.

Er war mit dem Erawan Schrein aufgewachsen, hatte aber als Muslim nicht den gleichen spirituellen Zugang wie seine Buddhistischen Landsleute. Selbst wenn er es gewünscht hätte, verhinderte der Gruppenzwang unter Muslims, dass er vor Phra Phrom auf die Knie ging und um irgend etwas bat. Wenn ihn dort ein Nachbar erkannt hätte, wäre das ziemlich unangenehm geworden. Er wäre sicherlich ob dieser Sünde gegen Allah und Mohammed ins Gebet genommen worden und die ein oder andere Disziplinarmassnahme hätte nicht lange auf sich warten lassen. 

Thanakorn kannte natürlich die Beliebtheit des Erawan Schreins und wusste, wie tief er im Bewusstsein der Stadt Bangkok und darüber hinaus verankert war. Es war nicht seine Welt, aber der Schrein war wohl auch für ihn Symbol des Reichtums, der erfüllten Wünsche und der Ängste vor den Zuständen jener Zeit, die die Armen ärmer und die Reichen reicher machte. Der Erawan Schrein war und ist das goldene Kalb, was schon zu Moses Zeiten den jüdischen Gott erzürnte.
 
Niemand weiß genau, was letztendlich in Thanakorns Kopf vorging und ob er die Tat geplant hatte. Eher nicht. Ein Vorschlaghammer war leicht zu finden. Am ZEN Teil des Central World, schräg gegenüber, wurde gebaut. Vielleicht war Thanakorn sogar einer der Arbeiter dort.

Phra Phrom lag in Trümmern. Thanakorn verblutete auf den Treppen des Erawan Bangkok, ein Boutique Kaufhaus gleich um die Ecke und unweit vom Indra Schrein. Lord Indra, der wirkliche Besitzer von Erawan. Als Thanakorn in das Polizei Hospital gegenüber vom Erawan Schrein eingeliefert wurde, war er schon tot.

Noch in der Nacht sprach sich das Unfassbare in der näheren Umgebung herum. Erschütterte Menschen begaben sich weinend vor den Trümmern auf die Knie bis die Polizei schließlich den Schrein zwecks Spurensuche absperrte. Die Bruchstücke wurden dem Fine Arts Department übergeben.



Brahmanen umhüllten den Schrein respektvoll mit einem weißen Tuch. Weiß, die Farbe dieser Glaubensgemeinschaft.




Als sich am Morgen die Nachricht im Radio und in anderen Medien verbreitete, überlegten sich viele Thais in Bangkok, ob es überhaupt Sinn mache, zur Arbeit zu gehen. War das der endgültige Untergang?

Was nun folgte ist ein Vorgeschmack auf das, was passieren würde, falls der City Pillar oder gar der Emerald Buddha in Brüche gingen. Aber wirklich nur ein Vorgeschmack. Eine Zerstörung des City Pillars bedeutete den Untergang Bangkoks, eine Zerstörung des Emerald Buddhas im Königspalast käme der Vernichtung der Thailändischen Nation gleich. Ein zweites Ayutthaya, sagt man.

Die Zerstörung Phra Phroms galt zumindest als böses Omen.



                                    

Fortsetzung folgt...

Donnerstag, 2. Juni 2011

Teil 2 - Der Erawan Schrein in Bangkok einmal anders - The Untold Story


Basisfakten

Ein Urlauber, der zum ersten Male Thailand bereist, im Erawan Schrein in Bangkok dem Treiben zuschaut und einen Blick auf die überraschend kleine Statue wirft, mag geneigt sein, diese für eine Darstellung Buddhas zu halten. Etwas verfremdet zwar, da sie vier Gesichter und acht Arme hat, aber Thailand ist ja schliesslich ein buddhistisches Land, oder?

Erst, wer sich im Nachhinein etwas eingehender damit beschäftigt, oder wer gar mit der hinduistischen Symbolik vertraut ist, erfährt, dass dem nicht so ist. 

Die Figur im Erawan Schrein stellt Lord Brahma den Schöpfer dar, oder Phra Phrom, wie ihn die Thais nennen. Er ist Bestandteil der hinduistischen Göttertrilogie, Brahma der Schöpfer, Vishnu der Erhalter und Shiva der Zerstörer. Als Einheit repräsentieren sie den ewigen Kreislauf allen Seins. Manchmal in einer einzigen Figur, der Trimurti, vereint.

Der Schrein selber ist nach dem Hotel benannt, dem er gewidmet war, dem Bangkok Erawan Hotel. Es existiert nicht mehr und ist dem Bangkok Grand Hyatt Erawan Hotel gewichen.

Auch der Name Erawan entbehrt nicht tieferer Bedeutung. Gemeint ist der heilige 33-köpfige Elefant, das Reittier und der Begleiter von Lord Indra, dem König der Götterwelt. Erawan wird einfachheitshalber mit nur drei Köpfen dargestellt.

Der offizielle Kompagnon von Lord Brahma ist zwar eine Gans, oder veredelt ein Schwan, aber Widersprüche sind ein fester Bestandteil der Traditionen in Thailand.

Die Figur geniesst den Ruf, Wünsche zu erfüllen. Diese werden mit dem Versprechen geäussert, bei Erfüllung einen Elefanten, Erawan, und einen anmutigen Tanz zu spendieren. 

Bewaffnet mit diesem Basiswissen wird in den Folgebeiträgen die Vergangenheit dieses sicherlich bemerkenswerten Schreins aufgerollt. Eine Vergangenheit, in der Verzweiflung, Missmanagement, Politik, der kalte Krieg, "das Gesicht wahren", Lynchjustiz, Animismus, Astrologie und thailändische Tradition eine Rolle spielen. Stoff genug für eine faszinierende Geschichte, gegen die die Legende verblasst.

Fortsetzung folgt...