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Mittwoch, 18. Januar 2012

Teil 11 - Der Erawan Schrein einmal anders - Auferstehung


Der Erawan Schrein bei Nacht

Was bisher geschah......












Die Auferstehung

Ein Schild in Englisch, Chinesisch und Thai am geschlossenen Erawan Schrein verkündete:

"The Erawan Shrine is temporarily closed. We apologise for any inconvenience." 

Der Text suggerierte, dass es eine temporäre Angelegenheit sein würde. Wird Phra Phrom wieder auferstehen?

Surapon Jiamsuwan, Vice Präsident der Erawan Group Plc, kündigte an, dass seine Firma zusammen mit dem Ministerium für Kultur eine baldige Renovierung des Schreins inklusive Statue anstrebe. „Wir bitten um etwas Geduld.“

Brahmanen hielten ein Spezial-Ritual für den zerbrochenen Phra Phrom ab und segneten seine Überreste. Viele Angehörige des Kultusministeriums nahmen ebenfalls teil.

Bald darauf wurden die vier Seiten des Schreins mit Fotografien der Statue verkleidet und der Schrein wieder geöffnet.


Die Besucherzahlen hielten sich in Grenzen.

Aus den Reihen Buddhistischer Gelehrter kamen die ersten Kritiken. Was solle dieser Firlefanz eigentlich? Das sei doch lediglich eine Figur. Sie gehöre zwar zur thailändischen Kultur und Tradition und sei Bestandteil des sozialen Lebens, aber  was sich hier abspiele, sei nur etwas für schlichte, verführte und gefährdete Gemüter. Vergleichbar mit der Märchenstunde für kleine Kinder, die noch nicht richtig laufen können. Dieser Hokuspokus um die Statue ließe sich nicht mit der buddhistischen Lehre vereinbaren.

Der Auftrag für eine neue Phra Phrom Statue ging wie erwartet an das Fine Arts Department. Stabiler sollte sie sein, aber äußerlich eine genaue Kopie der Alten. Bruchstücke des Originals sollten mitverwendet werden um den ursprünglichen Spirit aufrecht zu erhalten.

Nach genau zwei Monaten war sie fertig. Neun verschiedene Metalle bildeten ihren Körper. Darunter Gold, Silber und Bronze. Diese spezielle Legierung wird „lawaloha“ genannt. Eine weitere Kopie fand ihren Platz im Nationalmuseum. Man kann ja nie wissen.

Die Thao Maha Phrom Statue, wie sie offiziell genannt wird, verließ am 21. Mai genau um 7:29 Uhr morgens in einer feierlichen Prozession das Fine Arts Department. Löwentänzer und Trommler begleiteten sie zunächst zum City Pillar Schrein. Von dort ging es zum Tempel des Emerald Buddhas und danach zur Brahman Church of Bangkok, wo sie mit heiligem Wasser gesegnet wurde.

Die Statue wurde auf einem Kleinlaster transportiert.

Viele Zuschauer notierten sich die Autonummer des Transportfahrzeuges für die nächste Lotterie. Im Schritttempo ging’s dann weiter bis zur Ratchaprasong Kreuzung. Brahmanen in weiß und mit den typischen Spitzkegelhüten sowie besagte Löwentänzer und Trommler begleiteten die Prozession. Die Strassen waren für den Verkehr gesperrt. Viele Zuschauer säumten den Weg und begaben sich mit der Statue Richtung Bestimmungsort. 



Um 11 Uhr morgens erreichte die Prozession den Erawan Schrein. Die Statue wurde abgeladen und zu Fuß die letzten paar Meter zum Schrein getragen. Premier Thaksin, der stellvertretende Minister für Kultur Surakiart Sathirathai und der Oberbürgermeister Apirak Kosayodhin warteten schon.

Thaksin ließ es sich nicht nehmen, Phra Phrom noch vor dem „check in“ in den Schrein seine Wünsche zu offenbaren. Um genau 11:29 Uhr wurde die Figur auf ihren angestammten Platz gesetzt. Die Zeit, zu der die Sonne genau senkrecht über dem Schrein stand.


Thaksins Stern war bereits dem Untergang geweiht. Die für ihn siegreiche Parlamentswahl vom 2. April 2006 wurde schließlich im Juni annulliert, da die größte Oppositionspartei, die Democrat Party und zwei andere, sich gar nicht erst an der Wahl beteiligt hatten und das Gericht Unregelmäßigkeiten in den Wahllokalen feststellte. Die Art und Weise der Aufstellung der Wahlurnen hätte die Privatsphäre der Wähler nicht garantiert.

Am 19. September 2006 ging für Thaksin endgültig das Licht aus. Das Militär putschte auf überraschend friedliche Art und Weise gegen ihn und setzte einen Militärrat als Übergangsregierung ein.

Selbst die Tageszeitung „The Nation“ konnte sich nicht verkneifen, legendenhaft über den 21. Mai, 2006 zu berichten. Genau um 11:29 Uhr, der Uhrzeit der Wiederaufstellung Phra Phroms sei ein Wolkenbruch schlagartig niedergegangen. Dabei war der Tag sowieso verregnet.

Das Fernsehen war ununterbrochen live dabei.



Phra Phrom war wieder auferstanden. Ein Freudentag. Und sah er nicht sogar besser aus als vorher? Der Erawan Schrein war bevölkert, wie sonst nie zuvor. Viele Zuschauer versammelten sich auf dem Skywalk gleich unter dem Skytrain.



Was für eine Karriere.

Vom Alibischrein für das Versagen der Bauherren des alten Erawan Hotels zum Hausschrein des ersten Hotels in Bangkok mit internationalem Standard. 

Vom Hausschrein des ersten Hotels in Bangkok mit internationalem Standard zum wunscherfüllenden Symbol für abergläubische Leute.

Vom wunscherfüllenden Symbol für abergläubische Leute zur Touristenattraktion.

Von der Touristenattraktion zur Muss-Foto-Lokation für die Prominenz aus Showgeschäft und Politik.

Von der Muss-Foto-Lokation für die Prominenz aus Showgeschäft und Politik zur politischen Instanz.

Von der politischen Instanz zum bösen Omen. Thailand ist seitdem nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die Gesellschaft ist tief gespalten. In den vergangenen Jahren gab es viele Tote bei politischen Unruhen. Gebäude in Bangkok standen in Flammen.

Wer wagt es da noch zu bezweifeln, dass Phra Phrom Macht hat - Macht über das Schicksal einer ganzen Nation.

Nur einer blieb und bleibt von alldem unberührt. König Bhumibol, Rama IX, der Stellvertreter von Lord Vishnu, dem Beschützer und Erhalter, auf Erden und unter dem besonderen Schutz von Lord Indra, dem wirklichen Bezwinger und Herrn von Erawan, dem legendären Elefanten. Phra Phrom. Wer ist das schon? Nichts weiter als ein Spielzeug und Hirngespinst seiner kindlichen Untertanen.

Stadtwappen Bangkoks
Ende      

Mittwoch, 11. Januar 2012

Teil 10 - Der Erawan Schrein einmal anders - The Day After




Was bisher geschah......














The day after


Der Schock saß tief. Besonders die Furcht vor den noch unbekannten Folgen führte zu Unsicherheiten in der Bevölkerung. Phra Phrom zerstört. Der Schrein schamvoll mit einem weissen Tuch verhangen und aussen von bewaffneten Soldaten bewacht.

Werden nun alle guten Geister Bangkok verlassen?

Die Girlandenhändler an der Thanon Ploenchit bangten um ihre Existenz. Sie sind der übriggebliebene harte Kern von unzähligen, die sich dort und entlang der Thanon Ratchadamri einmal niedergelassen hatten. Die BMA, Bangkok Metropoliten Administration, oder Stadtverwaltung, musste einschreiten und dem Wildwuchs ein Ende setzen. Heute ist die Zahl der Verkaufsstände auf etwa 20 beschränkt. Die offizielle Monatspacht ist sehr gering und eher ein symbolischer Beitrag.



Der Verdienst ist enorm, muss aber vermutlich mit einer „Studentenblumen-Mafia“ geteilt werden. Studentenblumen (Tagetes Patula) mit strahlend gelben bis orangen Blüten. Sie sind hart im nehmen und welken nicht gleich, wenn man sie von ihren Stängeln trennt und zu Girlanden verarbeitet.



Die Tourismusindustrie befürchtete Stornierungen, besonders aus Taiwan, Hongkong und Singapur. Von dort kamen finanzstarke Gäste mit einem besonderen Faible für den Erawan Schrein. Manche kamen sogar nur wegen ihm nach Bangkok.  

Viele Bangkoker fragten sich: reichen unsere jetzigen Probleme eigentlich immer noch nicht aus? Die Gesellschaft ist tief gespalten. Unser Premier verkauft die Kronjuwelen Thailands, das Firmen Konglomerat Shin Corporation, für fast zwei Milliarden US Dollar an Singapur. Schon wieder sind Neuwahlen ausgeschrieben, obwohl die letzte offizielle Wahl erst im Vorjahr stattgefunden hatte. Alles wird teurer. Bomben explodieren in der Hauptstadt. Im Süden des Landes eskaliert die Gewalt und Menschen werden abgeschlachtet. Und jetzt das! Was wird als nächstes passieren?

Astrologen stimmten überwiegend das Lied der Versöhnung an. Die Zerstörung Phra Phroms sollte als Anlass für Verhandlungen zwischen den zerstrittenen Parteien genommen werden. Sonst würde noch schlimmeres geschehen. Pinyo Pongcharoen sagte es mit leicht verständlichen Worten:

Dies ist eine Aufforderung an alle Parteien zu verhandeln. Phra Phrom, Lord Brahma, hat vier Gesichter, genauso wie unser Land im Augenblick vier Blöcke hat.


·      Die Regierung
·      Die Oppositionsparteien
·      Die PAD
·      Die Arme-Leute Demonstranten

Diese vier Gruppen sollten sich einander zuwenden und alle Probleme des Landes würden sich in Luft auflösen.


Ein anderer Astrologe erwähnte eine alte Prophezeiung, die voraussage, dass 224 Jahre nach der Gründung Bangkoks als Königsstadt (1782) Unheil über das Land kommen werde. Jetzt, im Jahre 2006, war es so weit.

Einige wenige unter den Astrologen sahen in Phra Phroms Hinscheiden ein Blutopfer. Demnach hätte er sich geopfert um den Weg für bessere Zeiten freizumachen. Halleluja.

Vertreter der verschiedenen politischen Richtungen zeigten mit dem Finger auf den Gegner. Besonders in eine Richtung und mit dem Hinweis: Thaksin muss weg.

Die Formulierung „Bad Omen“ bestimmte die Schlagzeilen der Presse.

Aber was machte der Premier Thaksin, dessen politisches Ende schon damals im März 2006 absehbar war? Kurz vor der Zerstörung Phra Phroms nahm er in Surin an einem uralten hinduistischen Elefanten-Ritual teil, welches dort seit Khmer-Zeiten zelebriert wird. Überhaupt, die vorangegangenen Monate in Thaksins politischem Leben waren von unzähligen Teilnahmen an Brahmanischen Ritualen und Treffen mit Astrologen gekennzeichnet. Inzwischen hatte sich herumgesprochen, dass seine oft plötzlich anberaumten Birma-Besuche auch und ganz besonders einem berühmten Astrologen dienten. Sein Name: E Thi, im Volksmund ET ("i ti" ausgesprochen) genannt.

Besonders Thaksin war wohl tief betroffen, obwohl er es sich nicht anmerken ließ. Zwei Tage nach der Zerstörung Phram Phroms, am 23. März 2006, erwies er der Stätte seinen Respekt.

Thaksin Shinawatra am zerstörten Schrein. Die Umhüllung mit einem weissen Tuch war inzwischen Sichtblenden mit dem Motiv Phra Phroms gewichen,

Aber es nützte nichts. Schon zwei Wochen später, ab dem 5. April 2006, traute Thaksin sich nicht mehr in das „Government House“. Es wurde von seinen Gegnern, der PAD, belagert. Khun Prem, Sprecher und Vorsitzender des „Privy Councils“, des Kronrates, sah sich genötigt in einem öffentlichen Statement zu versichern, dass Thaksin immer noch in Amt und Würden sei. Er sähe sich allerdings gerade nach einem neuen Büro um. Sehr witzig.

Die politische Lage in Thailand war so unübersichtlich, unberechenbar und instabil, wie schon lange nicht mehr. Was würde als nächstes geschehen?

Phra Phrom, Phra Phrom, Phra Phrom, stehe uns bei. Warum hast du uns verlassen?

Die Regierung reagierte schnell auf die Nöte des Volkes. Schon einen Tag nach der Zerstörung ließ sie verlauten, dass Phra Phrom auferstehen wird. Wie es sich halt für einen Schöpfer gehört. 

Da das Gelände des Schreins vorläufig geschlossen war, beteten die Leute draussen vor dem Eingang.



Fortsetzung folgt...

Dienstag, 10. Januar 2012

Teil 9 - Der Erawan Schrein einmal anders - Unser Vater wurde zerstört



Der leere Erawan Schrein kurz nach der Tat

Was bisher geschah......










Unser Vater wurde zerstört !

Kurz nach Mitternacht, am frühen Dienstag Morgen des 21. März 2006 näherte sich zunächst unbemerkt ein junger Mann, mit einem schweren Vorschlaghammer bewaffnet, dem Erawan Schrein, stieg auf das Podest von Phra Phrom und zertrümmerte die Hartgipsfigur mit nur wenigen Schlägen.




Nur ein Bein ruhte noch auf dem Sockel. Lord Shiva der Zerstörer hatte getanzt und seinen Kollegen Lord Brahma (Thailändisch: Phra Phrom) und Schöpfer des Universums vorzeitig vernichtet. Einen Atemzug lang verharrte die Ratchaprasong Kreuzung in zeitloser Starre. Eine Girlandenverkäuferin kam als erste wieder zu sich.

„Unser Vater wurde zerstört.“ rief sie laut in die Nacht hinein. 



Straßenkehrer und Taxifahrer nahmen die Verfolgung auf und erschlugen, beflügelt vom heiligen Geist, den Täter mit einer Eisenstange unweit vom Tatort.

Wer war dieser junge Mann? Ein Enttäuschter, Frustrierter, Verrückter oder gar ein Terrorist? Es dauerte Tage, ehe sich ein einigermaßen klares Bild ergab. Die Aussagen seines Vaters Sayant  warfen schließlich etwas Licht auf die für Thais völlig undenkbare Tat.

Demnach war Thanakorn Phakdeephol, so sein Name, seit seiner Militärzeit vor sechs Jahren in sporadisch psychiatrischer Behandlung. Er neigte zu unkontrollierter Aggressivität. Fest steht, dass er nicht an geistiger Behinderung litt. Er lebte in einfachen, wenn nicht sogar ärmlichen Verhältnissen. Am Abend vor seiner Tat kam er um 8 Uhr abends nach Hause und verzog sich mit grimmigem Gesicht sofort ins Bett. Sein Vater kannte die Anzeichen, legte Beruhigungs- und Anti-Depressiva-Pillen bereit und füllte ein Glas Wasser. Aber es war schon zu spät. Thanakorn ließ sich nicht mehr beruhigen. Er lehnte die Fürsorge seines Vaters ab, ein Wort gab das andere und schließlich drohte er damit, alles im Hause kurz und klein zuschlagen, sowie Familienangehörige zu verprügeln. Um Mitternacht herum verließ er wutentbrannt das Haus unweit des Erawan Schreins.

Er war mit dem Erawan Schrein aufgewachsen, hatte aber als Muslim nicht den gleichen spirituellen Zugang wie seine Buddhistischen Landsleute. Selbst wenn er es gewünscht hätte, verhinderte der Gruppenzwang unter Muslims, dass er vor Phra Phrom auf die Knie ging und um irgend etwas bat. Wenn ihn dort ein Nachbar erkannt hätte, wäre das ziemlich unangenehm geworden. Er wäre sicherlich ob dieser Sünde gegen Allah und Mohammed ins Gebet genommen worden und die ein oder andere Disziplinarmassnahme hätte nicht lange auf sich warten lassen. 

Thanakorn kannte natürlich die Beliebtheit des Erawan Schreins und wusste, wie tief er im Bewusstsein der Stadt Bangkok und darüber hinaus verankert war. Es war nicht seine Welt, aber der Schrein war wohl auch für ihn Symbol des Reichtums, der erfüllten Wünsche und der Ängste vor den Zuständen jener Zeit, die die Armen ärmer und die Reichen reicher machte. Der Erawan Schrein war und ist das goldene Kalb, was schon zu Moses Zeiten den jüdischen Gott erzürnte.
 
Niemand weiß genau, was letztendlich in Thanakorns Kopf vorging und ob er die Tat geplant hatte. Eher nicht. Ein Vorschlaghammer war leicht zu finden. Am ZEN Teil des Central World, schräg gegenüber, wurde gebaut. Vielleicht war Thanakorn sogar einer der Arbeiter dort.

Phra Phrom lag in Trümmern. Thanakorn verblutete auf den Treppen des Erawan Bangkok, ein Boutique Kaufhaus gleich um die Ecke und unweit vom Indra Schrein. Lord Indra, der wirkliche Besitzer von Erawan. Als Thanakorn in das Polizei Hospital gegenüber vom Erawan Schrein eingeliefert wurde, war er schon tot.

Noch in der Nacht sprach sich das Unfassbare in der näheren Umgebung herum. Erschütterte Menschen begaben sich weinend vor den Trümmern auf die Knie bis die Polizei schließlich den Schrein zwecks Spurensuche absperrte. Die Bruchstücke wurden dem Fine Arts Department übergeben.



Brahmanen umhüllten den Schrein respektvoll mit einem weißen Tuch. Weiß, die Farbe dieser Glaubensgemeinschaft.




Als sich am Morgen die Nachricht im Radio und in anderen Medien verbreitete, überlegten sich viele Thais in Bangkok, ob es überhaupt Sinn mache, zur Arbeit zu gehen. War das der endgültige Untergang?

Was nun folgte ist ein Vorgeschmack auf das, was passieren würde, falls der City Pillar oder gar der Emerald Buddha in Brüche gingen. Aber wirklich nur ein Vorgeschmack. Eine Zerstörung des City Pillars bedeutete den Untergang Bangkoks, eine Zerstörung des Emerald Buddhas im Königspalast käme der Vernichtung der Thailändischen Nation gleich. Ein zweites Ayutthaya, sagt man.

Die Zerstörung Phra Phroms galt zumindest als böses Omen.



                                    

Fortsetzung folgt...

Montag, 9. Januar 2012

Teil 8 - Der Erawan Schrein einmal anders - Dunkle Schatten




Was bisher geschah......

Teil 1 - Einleitung

Teil 2 - Basisfakten

Teil 3 - Die Ausschreibung für das Erawan Hotel

Teil 4 - Baubeginn im Kalten Krieg

Teil 5 - Der Bau des Erawan Hotels

Teil 6 - Der Patron des Erawan Hotels

Teil 7 - Nackttanz für Phra Phrom



50 Years Later


Es fehlten nur noch ein paar Monate bis Phra Phrom seinen 50. Geburtstag am 9. November 2006 feiern wollte. Aber über seiner im Jahre 1956 geborenen Inkarnation im Schrein des Erawan Hotel lag ein dunkler Schatten.

Was war nicht alles bisher geschehen.

Tausende Male hatte Phra Phrom gnädig und frohen Herzens Wünsche erfüllt. Tausende Male wurde ihm dafür gedankt. Unzählige Holz-Elefanten in allen Größen wurden ihm als Dankesgabe überreicht. 






Manche so riesig und schwer, dass sie mit einem Kran auf das Areal des Schreins gehievt werden mussten. Tausende gespendete Elefanten wurden an Buddhistische Tempel und Krankenhäuser weiterverschenkt. Der Tanz der barfüssigen aber ansonsten züchtig gekleideten Nymphen nahm kein Ende. Millionen von Besuchern hatten auf ihren Knien vor Phra Phrom ihr Haupt gesenkt und ihre geheimsten Wünsche still und in Andacht geäussert.  

Die Than Tao Mahaprom Foundation Earawan Hotel hatte bisher die unglaubliche Summe von fast 800 Millionen Baht Spendengeldern eingenommen und sinnvoll in medizinische Apparate für Krankenhäuser in der Provinz investiert. 

Die Ratchaprasong-Kreuzung und Umgebung hatten sich mit Paragon und Central World zu einem modernen Shopping-Zentrum der Superlative entwickelt, bequem mit dem Skytrain zu erreichen. Thailand und besonders Bangkok erlebten nach den zwei Modernisierungsphasen in den sechziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen dritten Boom, der es in sich hatte. Es schien als ob Phra Phrom im Erawan Schrein seine schöpferische und gebende Hand über das gesamte Viertel gelegt hatte.  

Dies alles unterstützt durch eine Dame, die, laut Zeitungsberichten, eine Riesendankes-Show am Erawan Schrein abgezogen hatte. Demnach hatte sie Phra Phrom um Unterstützung für einen Karrieresprung gebeten. Falls erfolgreich, würde sie in einer Vollmondnacht nackt, so wie Phra Phrom sie erschaffen hatte, um die Statue tanzen. Sie bekam ihren Wunsch-Job und hatte ihr Verspechen eingelöst. Aber nicht unangekündigt. Sichtblenden wurden aufgestellt und die Dame bekam ihr privates Stelldichein mit dem Schöpfer. Ab da gab es kein Halten mehr. Nachahmer standen Schlange, sodass bald ein Nackttanzverbot ausgesprochen werden musste. Nichtsdestotrotz, der Schrein hatte seinen Ruf weg. Er hatte die Power, Wünsche zu erfüllen und es geziemte sich, ihm bei Erfüllung dafür zu danken. Wenn auch ab jetzt in gesitteter Weise durch gemietete Tänzerinnen.

Der Erawan Schrein wurde sogar zum Ort des Show Downs in einem haarsträubenden Krimi von Christopher G. Moore. „Spirit House“. Eine sehr lesenswerte Geschichte, auch, weil trotz aller Fiction Christopher G. Moore ganz nebenbei ein detailliertes Bild über die Großstadtwelt in Bangkok liefert. 





Das Jahr 2006 war politisch gesehen eine recht bewegte Zeit. Der 2005 wiedergewählte Premier Thaksin Shinawatra, im Jahre 2001 zum ersten Mal gewählt, hatte als erster Premier in Thailand eine volle Legislaturperiode von vier Jahren überstanden, war mitten in der zweiten und auf dem besten Wege, eine autoritäre Demokratie der Reichen und Unverschämten zu etablieren, die den alten Traditionen nicht mehr den gewohnten Stellenwert einräumte und, obwohl unausgesprochen, die Rolle des Königshauses und des Privy Councils (Kronrat) nur noch als taktische Beigabe betrachtete, die es in trügerischer Sicherheit zu wiegen galt. Die traditionell politische Rolle des Militärs wurde langsam aber sicher beschnitten. Die Regierungsmacht und die Macht in den Aufsichtsräten grosser staatlicher und privater Firmen verteilte sich schleichend und immer mehr auf einflussreiche zivile Geschäftsleute.

Ziviler Widerstand machte sich in den Strassen breit und legte an manchen Wochentagen den ohnehin zähen Verkehr an der Ratchaprasong-Kreuzung völlig lahm. Nicht von ungefähr wählten die Demonstranten unter der Leitung des Medien-Moguls Sondhi Limthongkul und des asketischen Ex-Generals Chamlong Srimuang die Farbe gelb. Die Farbe des Königs. Dies versprach Schutz, Sicherheit und eine gewisse Unantastbarkeit. Die Bewegung nannte sich PAD, People's Alliance for Democracy, und es schien zunächst, dass diese Bewegung es mit der Forderung nach mehr Demokratie wirklich ernst meinte.
 
Bangkok erlebte zwar seinen dritten Boom nach den sechzigern und achtziger/neunziger Jahren. Nur, der erreichte die einfachen Leute nicht mehr. Im Gegenteil. Alles wurde teurer. Ungelernt und ungebildet zu sein, hieß, vom Wohlstand, der überall durch neue und riesige Kaufhäuser, Hotels und unzählige moderne Autos sichtbar wurde, abgenabelt zu sein. Einheimische Hilfsarbeiter wurden, zwar nicht neu, aber zunehmend in immer grösserer Zahl durch billige Burmesische und Kambodschanische Kolonnen ersetzt. Lediglich die Landbevölkerung empfand sich endlich von der Zentrale Bangkok erhört. Das "flat rate Gesetz" der medizinischen Versorgung für den Preis von 30 Baht und die von Thaksin eingeräumte lokale Mitbestimmung über die Verwendung von finanziellen Mitteln in den ländlichen Gemeinden ließen Euphorie aufkommen

Und nicht zu vergessen. Am Sylvesterabend 2005/2006 explodierten in Bangkok eine Reihe von Bomben meist in Mülleimern versteckt über die gesamte Stadt verteilt. Drei Menschen wurden getötet, mehrere schwer verletzt. Zwei Bombenanschläge ereigneten sich ganz in der Nähe des Erawan Schreins kurz nach Mitternacht. Die öffentlichen Feiern nahmen ein jähes Ende.




Der Erawan Schrein war für viele in Bangkok die letzte Enklave der Hoffnung und erlebte ungeahnte Aufmerksamkeit. Buddhismus spendete kaum noch Trost in einer aufstrebenden materialistischen Welt, die für viele unerreichbar war, ja, sogar eine Bedrohung darstellte. Slums mussten hochherrschaftlichen Gebäuden weichen, Grundnahrungsmittel wurden stetig teurer. Für die sowieso schon Armen wurde es noch enger. 

„Tambun“, im buddhistischen Sinne karmische Verdienste erringen,  war und ist  gut fürs nächste Leben, aber „li ang pi“, Geister- oder Spirit-Anbetung, versprach und verspricht Hilfe im Hier und Jetzt. 

"Phra Phrom stehe uns in diesem Leben bei und erhöre unsere Wünsche. Wir werden wieder kommen und es dir großzügig danken."

Der 21. März, 2006, ein Dienstag, versprach ein Tag wie jeder andere zu werden. Während der Premier Thaksin auf die Frage, wie hoch er sein Vermögen denn einschätze, hätte sagen können: „vor oder nach ihrer Frage?“, stellten sich die Mittellosen auf die nächste 1 Baht Erhöhung für Grundnahrungsmittel und Benzin ein und schnallten die Gürtel enger.

Es war nach Mitternacht, die meisten schliefen schon, von den Nachteulen einmal abgesehen. Der Schrein sah seiner täglichen Schließung entgegen. Die Girlanden-, Räucherstäbchen-, Kerzen- und Lotusknospenverkäufer hatten ihre Stände schon abgeräumt. Straßenkehrer säuberten die Gehsteige von Unrat. Taxis fuhren im Schritttempo in der Hoffnung, noch letzte Besucher aufzugabeln. Unauffällig verliess ein junger Mann zu ungewohnter Zeit sein zu Hause unweit des Erawan Schreines. Man sah ihm nicht an,  welch düstere Gedanken ihn bewegten...

Fortsetzung folgt




Montag, 13. Juni 2011

Teil 6 - Der Erawan Schrein einmal anders - Der Patron des Erawan Hotels




Der Patron des Erawan Hotels

In Thailand ist es üblich, wichtige Eckdaten des Lebens durch einen Astrologen festzulegen zu lassen, einfach um sicherzustellen, dass die Zukunft unter einem guten Stern steht. Das gilt für Hochzeitstermine, Hauseinweihungen, Eröffnung eines Geschäftunternehmens oder anderes Neuland, was eine einschneidende Wende und einen neuen Beginn mit vielleicht einem gewissen Risiko beinhaltet.

Ein guter Wahrsager oder Astrologe erkundigt sich immer zunächst einmal über die Zusammenhänge, bevor er eine Empfehlung abgibt.  Dazu gehört das Geburtsdatum seiner Klienten, wenn möglich auch die Uhrzeit, und im Falle einer Hauseinweihung das Datum der Grundsteinlegung.

Als Konteradmiral Luang Suwicharnpat erfuhr, wann der offizielle Baubeginn des Erwawan Hotels stattgefunden hatte, schlug er zum Schock vieler die Hände über dem Kopf zusammen. Unglücklicher hätte der nicht gewählt sein können. Das konnte einfach nicht gut gehen. Kein Wunder, das alles schief ging. 

Was die einen schockte, war für die anderen die gute Nachricht. Mit einem Schlag waren alle Verantwortlichen aus dem Schneider. Unprofessionalität oder menschliches Versagen schieden mit einem Male aus. Gegen höhere Gewalt war kein Kraut gewachsen.

Aber was tun? Die Antwort war Besänftigung der höheren Wesen, Wiedergutmachung und ein äußeres Zeichen der Demut. Für alle sichtbar sollte das Erawan Hotel einen Patron der besonderen Art erhalten. Einen Schrein mit einer Gottheit, die schon fast in Vergessenheit geraten war. Lord Brahma, der Schöpfer des Universums. Er hatte einst Lord Buddha zusammen mit Lord Vishnu, dem Erhalter, in den Himmel begleitet, damit Buddha seiner Mutter von seiner Erleuchtung berichten konnte. Im hinduistischen Indien gibt es nur noch ganz wenige Brahma-Tempel. Man sagt nur zwei. Vishnu der Erhalter und Shiva der Zerstörer regieren die Welt. Die Schöpfung ist unwichtig geworden.

Der Auftrag für die Statue ging an das „Fine Arts Department“, eine Organisation in Thailand, die einen gewissen Standard für die Darstellung religiöser Symbole vorgibt. Der Künstler Jitr Pimowit übernahm den Entwurf und die Herstellung aus Hartgips, welche mit Gold überzogen wurde. Juerawee Chomsewee und M.L. Poom Malakoon entwarfen den Schrein. Am 9. November 1956 (B.E. 2499) fand die feierliche von Brahmanischen Priestern geleitete Einweihung statt. Ihrer wird bis heute als Jahrestag gedacht. Dann ist am heiligen Erawan Schrein die Hölle los.

Der Legende nach wurde der Bau des Hotels von da an reibungslos und rechtzeitig vollendet.

Wann fand denn dann genau die Einweihung des Erawan Hotels statt? Schweigen. Wie viel Zeit verging eigentlich zwischen der Aufstellung des Erawan Schreins und der Fertigstellung des Hotels? Schweigen. Nur ein einziges Datum ist überliefert. Nämlich der 9. November 1956, Einweihung des Erawan Schreins. Da 1956 auch als Jahr der Eröffnung des Erawan Hotels genannt wird, kann es mit der Zeit, ab der alles schön reibungslos verlief, nicht lange hingewesen sein. Maximal ein paar Wochen. Das Hotel war so gut wie fertig. Welch ein Wunder?


Quelle: Erawan Hotel Broschüre

Das Bild, welches mich unter anderem zu meiner Recherche: „Der Erawan Schrein...einmal anders“ angeregt hat. Das Bild ist aus dem Jahre 1963. Der Erawan Schrein, einsam und verlassen, sieben Jahre nach seiner Einweihung, lediglich gepflegt von den Hotelangestellten. Hatte die Legende Spätzündung oder ist sie gar ein Marketing Trick?

Fortsetzung folgt...
         

Freitag, 10. Juni 2011

Teil 5 - Der Erawan Schrein einmal anders - The Untold Story



Der Bau des Erawan Hotels

Es wurden Stimmen laut, die den Standort nicht gerade als glücklich gewählt betrachteten.

Zum einen war und ist es königlicher Grund und Boden. Ein völlig untraditionelles Gebäude im modernen westlichen Stil auf diesem Stück Land? Unmöglich!

In Bangkok verehrte Bäume mussten gefällt werden. Der in dieser Gegend einst weitverbreitete „Rain Tree“, Samanea Saman, spendete überall wohltuenden  Schatten.


Der früher in Bangkok weitverbreitete "rain tree"



Zu guter Letzt, und wohl das wichtigste Gegenargument aus Thaisicht, wurden einst zum Tode Verurteilte an diesem Ort öffentlich hingerichtet. Deren herumirrende Geister hatten sicherlich nichts Gutes im Sinn.

Fast das gesamte Baumaterial und besonders die Inneneinrichtungen mussten von Übersee eingeführt werden. Genauso wie zu Rama V Zeiten (1868 – 1910), als in der damaligen Innenstadt Bangkoks hochherrschaftliche staatliche Gebäude und Paläste, entworfen von europäischen Architekten, hochgezogen wurden. Jetzt im Jahre 1953 war das immer noch eine logistische Herausforderung.

Als Chef-Bauleiter wurde der Polizei Major General M.L. Jare Suthat ernannt. Heerscharen von Bauarbeitern wurden angeheuert. Zum Teil rekrutierten sie sich aus der Lan Chang Gemeinde gleich in der Nähe sowie der Muslimgemeinde rund um das heutige Jim Thompson Haus herum. Auch sie kamen als Kriegsgefangene, allerdings aus Kambodscha, hier an den Klong Saen Saep. Weitere Trupps aus dem Isan kamen hinzu. Das bunte Gemisch auf den Baustellen sieht heute nicht anders aus.

Je weiter der Bau voranschritt um so offensichtlicher wurden die Probleme. Die Technologie und der geforderte Qualitätsstandard für das Konferenzhotel waren diesen Wander- und Gelegenheitsarbeitern völlig unbekannt. Das große Wurschteln begann. Sozusagen: „learning by doing“ mit allen dazugehörigen Fehlschlägen. Ständig mussten Schlampereien ausgebügelt werden.

Eine Schiffsladung mit italienischem Marmor kam nie an, anderes Material verschwand in dunklen Kanälen. Der Konferenztermin rückte immer näher. Der Druck auf die Bauarbeiter wuchs, da vermutlich Tag und Nacht gearbeitet wurde. Unfälle häuften sich, einige verliefen tödlich. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass diese sich im normalen Rahmen bewegten. Selbst 2004/2005 beim Bau des Paragon an der Rama I Road, gleich an der Siam BTS Station, gab es Tote und viele Verletzte. Die wirkliche Zahl der Opfer und deren Namen fanden nie den Weg in die Medien. Nicht erwähnenswert. Damit muss man rechnen, so die Einstellung der Einheimischen.

Die militärisch hochrangigen Herren Direktoren sorgten für den nötigen Druck von oben. Manch professioneller Bauleiter aus dem Ausland mag im Angesicht der "Baukunst" dieser ungelernten Arbeiter kurz vor dem Nervenzusammenbruch gestanden haben. Wer jemals in Thailand einen Hausbau mit europäischen Ansprüchen finanziert und beaufsichtigt hat, kann sicherlich mitfühlen. 

Der Stress nahm überhand, zuviel ging schief, und im Jahr 1956, dem Jahr der UNO Konferenz, streikte ein Grossteil der Arbeiter. Der legendenhaft überlieferte Grund für den Streik war der Aberglaube der Bauarbeiter vom Lande, die davon überzeugt gewesen seien, dass böse Geister ihre Finger im Spiel hätten. 


Vermutlich steckt darin sogar ein Teil der Wahrheit. Es ist aber nicht abwegig anzunehmen, dass Überstunden - was ist das überhaupt? - und Tag- und Nachtarbeit nicht entsprechend vergütet wurden. Wozu dann diese Schinderei? Mögen sich die Arbeiter gefragt haben. Die Lage beruhigte sich allerdings wieder und der Bau konnte fortgesetzt werden.



An dieser Stelle ist es wichtig zu verstehen, dass der Streik vor der Errichtung des Erawan Schreines beendet wurde, zu einer Zeit, als noch nicht einmal die Rede davon war. Offensichtlich hatten sich die Bauherren und die Arbeiter gütlich geeinigt.

Trotz aller Schwierigkeiten und Zweifel, rechtzeitig zum Termin der UNO Konferenz im gleichen Jahr fertig zu werden, wurde der Chef-Bauleiter Polizei Major General M.L. Jare Suthat 1956 beauftragt, Konteradmiral Luang Suwicharnpat zwecks Festlegung eines glückverheißenden Einweihungstermins für das Erawan Hotel zu kontaktieren. Der Konteradmiral galt als Experte für fernöstliche Astrologie und wurde des öfteren für solche Aufgaben konsultiert.

Das geschah nicht etwa aus irgendeiner Not heraus, sondern entspricht uralter thailändischer Tradition, besonders wenn es um solch ein wichtiges Gebäude geht.

Das ursprüngliche Erawan Hotel

Diese nüchternen Fakten lassen sich auf der Webseite der Than Tao Mahaprom Foundation nachlesen, die auf legendenhafte Darstellungen verzichtet.


Es ging also ursprünglich um einen spirituell abgesegneten Termin für die Einweihung des Erawan Hotels.

Bei der Bestimmung dieses besonderen Datums machte Konteradmiral Luang Suwicharnpat eine Entdeckung mit Konsequenzen...

Fortsetzung folgt...